Was können wir über den Umgang mit Pandemien aus der Geschichte lernen?
DIETRICH GRÖNEMEYER: Leben ist mehr als die infektiö- se Bedrohung, auch in den Zeiten von Pandemien. Das ha- ben Menschen seit Jahrtausenden gelernt. Sei es während und nach der Spanischen Grippe, der Pest oder den Ma- sern, die das Leben vieler Menschen in ganzen Landstri- chen und verschiedenen Kulturen stark beeinträchtigten oder sogar beendeten. Das Leben ist ein wundervolles Ge- schenk! Das wussten schon die Milliarden Menschen vor
uns und entwickelten auch im Angesicht tödlicher Gefah- ren und viel Leid immer wieder mutig und mit Zuversicht das Neue.
Dieses Mal wurden etwa neue Impfstoffe entwickelt. Waren Sie überrascht, wie schnell es ging?
GRÖNEMEYER: Die Entwicklung von Antigen- und Antikör- per-Schnelltests und Corona-Impfstoffen hat gezeigt, über welche wissenschaftlichen Kapazitäten wir in Europa und international verfügen und mit welcher Kompetenz und Schnelligkeit die digitale Vernetzung der Forschenden so- wie der Entwicklerinnen und Entwickler zu hochkarätigen Resultaten führt. Das war vorher nicht zu erwarten. Aber es zeigt, wie klug die Menschheit geworden ist und welche enormen Möglichkeiten die Wissenschaft bereithält, wenn sie sinnvoll und gezielt eingesetzt wird.
Sie plädieren für eine ganzheitliche Medizin. Warum?
GRÖNEMEYER: Als Arzt habe ich immer wieder erleben dürfen, wie wichtig es ist, bei der Wahl der richtigen Be- handlung die ganze Vielfalt vor Augen zu haben. Überall in der Welt haben Menschen Methoden entwickelt, Heilmittel entdeckt, heimische Pflanzen genutzt, die auch für uns un- schätzbaren medizinischen Wert haben können. Man den- ke nur an die indische Ayurveda-Lehre oder die Traditio- nelle Chinesische Medizin. Wo sich Schulmedizin und die alternativen Wege in Konkurrenz zueinander verstehen, bedeutet das Rückschritt. Die Zukunft der Menschheit liegt in der Weltmedizin, wie ich sie definiert habe: Schul-, Na- tur- und psychosomatische inklusive der Umweltmedizin, die Umweltfaktoren wie chemische Stoffe einbezieht, sind eins.
Was können wir künftig tun, um bestmöglich durch eine Pandemie zu kommen?
GRÖNEMEYER: Das beste Medikament oder eine Impfung taugen auch zukünftig nichts, wenn nicht von vornherein der persönliche Zustand und Vorerkrankungen erfasst werden. Wenn nicht daran gedacht wird, wie es an die Frau, das Kind oder den Mann zu bringen ist. Wenn die Menschen nicht über Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Zu denen zählen auch die psychischen, die sozialen, die gesellschaftlichen und die wirtschaftlichen eines notge- drungen verhängten Lockdowns. Wie jeder Mensch seine eigene Abwehrkräfte verstärken könnte, gehört auch zur Aufklärung dazu: Bewegung, Sport, vollwertige Ernährung, Entspannung und Schlaf. Ebenso wie spezielle Heilpflan- zen oder im wahrsten Sinne des Wortes belebende Ge- spräche und Waldwanderungen.
Prof. Dr. Dietrich Grönemey- er: Der 1952 geborene Medi- ziner engagiert sich für die Prävention und bringt Schul- medizin sowie Naturheilkunde harmonisch zusammen. Etwa in dem nach ihm benannten Gesundheitsmagazin. Der Bruder von Sänger Herbert Grönemeyer ist zudem Autor internationaler Bestseller wie „Mein Rücken“, „Dein Herz“ und „Der kleine Medicus“.