Bibiana Steinhaus pfeift als einzige Schiedsrichterin in der ersten Fußball-Bundesliga der Männer. Sie will durch Leistung überzeugen, plädiert aberauch für eine Frauenquote. Warum das so ist und wie Frauen sich fördernkönnen, verrät sie hier.
No.I: Diversität ist ein großes Thema in Wirt-schaft und Gesellschaft. Was erwarten Sievon der Männerdomäne Profi-Fußball indieser Hinsicht?
Bibiana Steinhaus: Ich bin davon über-zeugt, dass im Profi-Fußball am Ende desTages nur die Leistung eine Rolle spielt undnicht Herkunft, Religion oder eine andereZugehörigkeit. Vor allem bereichert Diver-sität jedes Team.
No.I: Sind Sie als Schiedsrichterin im Män-nerfußball auf Widerstände gestoßen?
Steinhaus: Es ist immer wichtig, ersteSchritte zu gehen, Geduld zu haben, auchwenn das nicht gerade zu meinen Stärkenzählt. Veränderung braucht einfach Zeit.Mittlerweile gibt es mehr positive Beispiele,in der dritten Liga der Männer pfeifen zweiweitere Schiedsrichterinnen. Ich bin sicher,wir sind noch lange nicht am Ende der Ent-wicklung angekommen.
No.I: Wird es insgesamt mehr Frauen imFußball geben?
Steinhaus: Bereits etwa jedes siebte derüber sieben Millionen Mitglieder im Deut-schen Fußball-Bund ist weiblich. 2020feiern wir 50 Jahre Frauenfußball im DFB.Die Entwicklung schreitet weiter voran. Eswird immer mehr Spielerinnen, Trainerinnenund Schiedsrichterinnen geben.
No.I: Wie haben Sie es geschafft, sich dur-chzusetzen?
Steinhaus: Ich bin nicht als Vorreiterin an-getreten. Mein Ehrgeiz war es, Spiele aufhöchstem Niveau zu leiten. Als ich mit An-fang 20 begann, wollte ich vor allem nichtauffallen, Teil der Gruppe sein, genausobehandelt werden wie meine männlichenKollegen.
No.I: Wie stehen Sie zur Quote als Weg zumehr Gleichstellung?
Steinhaus: Ich war lange eine Gegnerin derQuote, weil ich überzeugt bin, dass sichQualität durchsetzt und zudem das alleinentscheidende Kriterium für Karrieredarstellen sollte. Ich meine, dass es genau-so viele gute Bewerberinnen um einen Ar-beitsplatz gibt wie gute Bewerber. Heuteglaube ich, dass für Frauen auch mehr Mö-glichkeiten geboten werden müssen, umdafür eine Sichtbarkeit zu schaffen. De-shalb erkenne ich den Nutzen einer Quotein verschiedenen Bereichen heute an. Aberdie Leistung muss natürlich stimmen.
No.I: Sind Schiedsrichterinnen strenger alsSchiedsrichter?
Steinhaus: Egal ob im Fußball oder im All-tag, finde ich es sehr wichtig, dass man beieiner ersten Begegnung miteinanderspricht und seine Erwartungshaltung klärt.Ich sage den Spielern, was ich von ihnenerwarte und in welchem Rahmen sie sichbewegen müssen. Der Spieler entscheidetdann, ob er Regeln übertritt. Jeder ent-scheidet selbst, ob er Grenzen einhält oderüberschreitet. Das gilt auf dem Spielfeldwie in der Gesellschaft.
No.I: Sie arbeiten als Polizeibeamtin im In-nenministerium Niedersachsens. Wie siehtes in der Behörde hinsichtlich derGleichstellung aus?
Steinhaus: Polizistinnen stellen heute rundein Drittel des Personals. Gemischte Teamssind auf den Straßen Niedersachsens völlignormal und übrigens auch gut für den Dia-log mit den Bürgerinnen und Bürgern.
No.I: Sie fühlen sich im Beruf als gleichbe-rechtigt. Was können Frauen tun, denen esnicht so geht?
Steinhaus: Es liegt an uns allen, zu einementsprechenden Wandel beizutragen. Ichfinde es ganz besonders wichtig, dass sichFrauen im Beruf gegenseitig stützen undfördern und sich nicht zwangsläufig nur alsKonkurrenz betrachten. Das Leben bietetFrauen zahlreiche Möglichkeiten, die eseinzufordern und anzunehmen gilt.
No.I: Sie werben für mehr Diversität, kürz-lich etwa bei einer Veranstaltung derGenerali. Sehen Sie in diesem Bereich einepositive Entwicklung?
Steinhaus: Es gibt viele Programme vonUnternehmen, Behörden und Institutionen,um Frauen zu fordern und zu fördern. Diejunge Generation geht mit einer viel größe-ren Selbstverständlichkeit von Geschlech-tergleichheit und Diversität in allen Berei-chen voran. Dies wird immer mehr zur Nor-malität. Und das ist ein gutes Zeichen fürdie Zukunft.
Erfolg: Ihr Ziel, Spiele auf höchstem Niveauzu leiten, hat die Unparteiische erreicht
Unparteiische: Steinhaus erklärtden Spielern vor dem Anpfiff ihreErwartungshaltung
Seit 1999 ist Bibiana Steinhaus DFB-Schiedsrichterin, in der Bundesligapfeift sie seit 2017. Die Polizeibeamtinaus Niedersachsen wurde mehrfachSchiedsrichterin des Jahres. Sie kamunter anderem bei den Frauenfußball-Weltmeisterschaften 2011 hierzulande,2015 in Kanda und 2019 in Frankreichzum Einsatz.