„Das ist nur eine Übung“, sagt Matthias Horx über die Coronakrise. Unsere ganz große Herausforderung, so der Trend- und Zukunftsforscher, liegt im Klimawandel. Und unsere Chance ist die jetzt angestoßene Transformation.
No.I: Sie sagen, dass uns die Coronakrise eine neue Realität beschert hat. Wie sieht die aus?
Matthias Horx: Die Welt hat sich total verän- dert, aber ist auch nicht untergegangen. Die Läden sind voll, unser Staat hat gezeigt, dass er funktioniert. Und jetzt müssen sich die Unternehmen neu aufstellen. Doch die spannende Frage ist, wie. Denn im Inneren unserer Gesellschaft findet gerade ein Werte- wandel statt – hin zu mehr postmateriellen Werten, mehr Gemeinschaftssehnsucht. Kri- tiker sagen, dass dies keinen dauerhaften Ef- fekt hat. Das ist aber nur der übliche Zynis- mus, der eigentlich aussagt, dass man sich selbst nicht ändern kann. Menschen haben sich immer schon gewandelt. Das sehe ich an meiner eigenen Biografie: Ich habe meine Jugend in den wilden Sechzigern und Siebzi- gern verbracht, in deren Folge sich die Ge- sellschaft unfassbar verändert hat. Auch in der jetzigen Situation geht es um einen umwälzenden Energiestoß. Damit umgehen zu können zahlt sich aus.
No.I: Ist Digitalisierung die Lösung?
Wir haben zehn Jahre Digitalismus hinter uns, in denen jeder, dem nichts Besseres einfiel, gesagt hat: „Das Digitale wird alle Pro- bleme lösen.“ Wir erleben aber etwas an- deres: Die Veränderung unseres sozialen Le- bens im Lockdown, die Tatsache, dass wir anders kommunizieren, wieder telefonieren, uns einander zuwenden, lässt uns erahnen, dass künstliche Intelligenz eben nicht alles lösen kann. In der Konsequenz sehen wir ei- nen Shift zur humanen Digitalisierung eu- ropäischer Prägung. Es geht darum, das Ins- trument des Digitalen mehr im Sinne des Menschlichen, des Miteinanders, der Kons- truktivität einzusetzen. Diese Debatte ist in vollem Gange. Und an solchen Metatrends werden sich die Geschäftsmodelle der Unter- nehmen in Zukunft orientieren.
No.I: Welche Trends sehen Sie noch?
NNachhaltigkeit. Das, was wir den Green Deal nennen, wird sich in den nächsten Jah- ren von Europa aus massiv beschleunigen. Die Unternehmen, mit denen wir an Zu- kunftsthemen arbeiten, sind zudem alle an der Frage des Purpose, also des Sinn und Zwecks, dran. Wie stellen wir uns neu auf in veränderten Märkten, wie können wir robus- ter, resilienter werden? Diese Trends kennen wir teils schon, sie erfahren derzeit aber eine Beschleunigung, andere kommen hinzu. Und es stellt sich in jeder Branche die Frage: Wie stelle ich mich in diesem veränderten Werte- system neu auf?
No.I: Und was bedeutet diese Fragestellung für das Management?
Eine Unternehmerpersönlichkeit von heute ist jemand ganz anderes als früher. Im Grunde genommen muss sie oder er auch ein wenig Philosoph sein und vor allen Dingen kommu- nizieren können – und zwar den Sinn. Denn der Sinn ist die einzige Ware, die man nicht kaufen kann. Ohne Purpose ist ein Unterneh- men lediglich eine Produktionseinheit, nicht mehr als die verlängerte Werkbank von je- mand anderem.
Visionär: Matthias Horx
ist Forscher und zugleich Mutmacher. Er zeichnet
ein positives Bild
der Nach-Krisen-Zeit
Fotos: Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com), Foto: Klaus Vyhnalek (www.vyhnalek.com)